Freitag, 5. September 2008

11 Freunde, 82


Rezension


11 Freunde
Magazin für Fußball-Kultur
Nr.82, September 2008
130 S.






Eine in der Titelgebung musikalisch inspirierte Ausgabe. Die große Geschichte über Paul Gascoigne wird auf der Frontseite mit Was hat doch bloß so ruiniert? betitelt, dem auch schon gut ein Jahrzehnt alten grandiosen Hit der Sterne, und Philipp Kösters Verdammung der Fanfreundschaften der 80er und 90er Jahre in Deutschland als konfuse Unart nennt er Ist es wahre Liebe?, ein vergleichsweise schlechtes Stück Musik. Aber zurück zu Gascoigne: Matthias Paskowsky referiert auf Basis einer Spurensuche in Gascoignes Heimat im Nordosten Englands, in Newcastle, die Tragik des Lebens dieses großen Fußballers, der vom Leben ziemlich gebeutelt wurde und leider immer noch wird. Er war ein wirklich erstaunlicher Kicker, aber aus der Bahn geworfen von seinen Verletzungen (30 Operationen!) und seiner Alkoholkrankheit. Paskowsky verweist darauf, wie auch Alex Ferguson bei Manchester United Ende der 1980er Jahre große Schwierigkeiten im Kampf gegen die verbreitete Trinkkultur auch und gerade unter Spielern hatte und schreibt: "Ihr Suff war natürlicher Bestandteil des Fußballuniversums, akzeptierte Medikation gegen die Last der Popularität und Katalysator für die Show auf dem Platz. Wenn Gascoigne in der Halbzeitpause des schottischen Pokalendspiels in kompletter Montur an der Bar der VIP-Lounge einen doppelten Brandy kippt und in der zweiten Halbzeit zwei Tore schießt, ist er im Mikrokosmos der Machowelt Fußball, in der das nächste Tackle das letzte sein kann, nicht der bedauernswerte Alkoholiker, sondern der gefeierte Held." Interessant ist hierzu auch Ulrich von Bergs Bericht in Ausgabe 78 über Jimmy Greaves, der sich 1979 als erster englischer Kicker zu seinem Alkoholismus bekannt hat.

Der zweite große Artikel befaßt sich mit der WM 1978 in Argentinien. Schon der letzte Ballesterer hat die Schattenseite des hierzulande unsäglich überhöhten und in seiner Wirkung auf den österreichischen Fußball destruktiven, aber wohl den Schlußpunkt der Nationsbildung darstellenden Córdoba beleuchtet. Hier postuliert Holland-Experte David Winner gar "Je mehr man über die WM 1978 erfährt, desto klarer wird: Dieses Turnier hätte niemals stattfinden dürfen." Er baut seine Argumentation einerseits auf der verbrecherischen Militärdiktatur auf, die 30.000 Menschen ermorden ließ und die WM zur Stabilisierung ihres Regimes nutzte, und andererseits auf Indizien, die für geschobene Partien zugunsten des Veranstalterlands Argentinien bis hin zu Doping sprechen. Ersteres ist sehr gut nachvollziehbar, zweiterem steh' ich dann doch etwas skeptisch gegenüber, wenngleich ich es natürlich für möglich halte.

Schönste Bildstrecke ist diesmal die über zehn Seiten präsentierten unzähligen Eintrittskarten zu verschiedenen Matches aus unterschiedlichen Dekaden und Ländern. Kann man nahezu stundenlang bewundern!

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