Mittwoch, 19. November 2014

Ballesterer 97



Rezension


Ballesterer
Nr. 97, Dezember 2014
82 S.






Nach Ausgabe 26 vor sieben Jahren, wenn ich recht geschaut habe, gibt es wieder eine Covergeschichte zur englischen Fankultur. Der englische Profifußball ist vor allem eine große Geldmaschine, mit allen katastrophalen Folgen kapitalistischer Systeme: „Aus Institutionen, die einem sportlichen und sozialem Zweck verpflichtet waren, wurden Unternehmen mit geringem Risiko für die Investoren und hohem für den Verein: Heute schreiben die Besitzer ihre Schulden auf den Klub um; sie spekulieren auf Erlöse, die im schwer berechenbaren Sport ausbleiben; machen Vereinseigentum zu Geld oder betrachten den Klub als Spielzeug. Mehr als 50 Vereine sind in den oberen fünf englischen Ligen seit 1992 in Insolvenz gegangen, einige davon gleich mehrfach.“ Die Stadien der britischen Insel sind heute zumeist für ihre Stille bei Matches bekannt. Nicole Selmer beschäftigt sich mit dem Unmut und aufkommenden Protesten von Fans gegen hohe Preise der Eintrittskarten, Engagement für eine Wiederermöglichung von Stehplätzen in den oberen beiden Ligen oder Spuren der Übernahme von Ultrasupport etwa bei Crystal Palace. Sogar die britische Politik hat im Vorfeld der Wahlen 2015 die Forderungen nach Mitbestimmungsrechten von Supporters' Trusts entdeckt.

Der Fankoordinator des polnischen Fußballverbands Dariusz Łapiński sagt im Interview mit Jan Braula Richtiges über den Fußball in Polen: „Der Ligafußball ist ohnehin nicht besonders attraktiv, häufig sind die Choreografien und die Atmosphäre das Positivste am ganzen Spiel. Wenn man in so einer Situation alle Zuschauer als potenzielle Verbrecher behandelt, darf man sich nicht wundern, wenn der Durchschnittsbürger dann nur ungern oder gar nicht ins Stadion kommt.“ In der Verteidigung gegen den Vorhalt von Rechtsextremismus auf den Tribünen ist er in seinem gewiss nicht einfachen Job wohl geübt. Er hat wohl recht, wenn er sagt, dass es vor einem Jahrzehnt mehr Hakenkreuze und ähnliche Symbole gab. Auf die Faschismusdefinition, die er aus dem Potpourri, das die Politikwissenschaft dafür anbietet, verwendet, kommt es aber wohl an, wenn meint „In den oberen Ligen haben in keiner Fanszene Faschisten das Kommando.“ Darüber, ob man dies so sagen kann, könnte man wohl lang und breit und ohne Ergebnis diskutieren.

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