Dienstag, 16. Juni 2015

Tornados spezial, 35



Rezension


Tornados spezial
Ausgabe 35
91 S.







Ein großes Thema der vergangenen Rapid-Saison war wieder einmal die Pyrotechnik, mit dem Höhe- bzw. Tiefpunkt der Fansektorschließung durch die Bundesliga. Ein Artikel blickt im Heft auf deren Verwendung bei Rapid im Wandel der Zeit seit den 1990er Jahren zurück: „Erlaubt war es zwar offiziell nie, aber in Österreich hat es zur Zeit unserer Gründung 1996 niemanden wirklich interessiert. Strafen gab es nur ganz vereinzelt und dann waren diese so lapidar, dass es niemanden groß tangierte. Vergleichbar ist das Raketenverbot in ganz Wien zu Silvester, welches zwar bekannt ist, aber von Behörden, Schaulustigen und Wirtschaft mehr als nur ignoriert wird.“ Bis zum großen Bruch blieb das im großen und ganzen so: „Zum Beispiel zündeten die Tornados Rapid alleine im Meisterjahr 2008 hunderte Bengalen. Die anderen Gruppen werden vermutlich auch nicht viel weniger gezündet haben. Negative Schlagzeilen gab es aber keine. Jeder lobte nur die tolle Stimmung und die unnachahmliche Atmosphäre im Hanappi-Stadion. Obwohl sich damals fast keiner vermummte, gab es kaum Strafen. Pyro war allgegenwärtig und wurde selbst von der Bundesliga und Polizei mehr oder weniger akzeptiert, in Einzelfällen kam es zu Verwaltungsstrafen.“
Nach dem Pyrotechnikgesetz 2010 war dann alles anders. Die Nutzung von Ausnahmeregelungen erwies sich als nicht praktikabel, weil als verantwortlich genannte Personen trotz Bemühens um Einhaltung der Auflagen immer wieder Strafen wegen angeblicher Übertretungen bekamen. Ein Teil der Problematik der Gesetzeslage ist die Abhängigkeit von Lust und Laune der lokalen Polizeidienststellen: „Später haftete bei ein paar Spielen der Verein als Verantwortlicher, was zumeist auch einigermaßen funktionierte und womit sich eine erhoffte österreichische Lösung abzeichnete. Aber das galt ausschließlich für den 14. Bezirk. Im 2. Wiener Gemeindebezirk, wo wir mittlerweile gezwwungen sind, zu spielen, gibt es andere Beamte, denen Pyrotechnik offenbar komplett gegen den Strich geht. Deshalb gibt es aktuell, auch wenn das immer wieder behauptet wird, keine realistische Möglichkeit, legal zu zünden.“
Der Pyro-Text erwähnt im großen Bogen auch interne Diskussionen und Trotzreaktionen innerhalb der Rapid-Fanszene. Zwei Kommentare illustrieren das Meinungsspektrum innerhalb der Gruppe mit der gleichen Grundeinstellung, dass Pyro zur Fankultur gehört, aber verschiedenen Ansätzen zur Pyro-Debatte.

Ein lesenswerter Artikel blickt auf die verschiedenen Fetzen zurück, mit denen sich die Tornados in ihrer bislang 19-jährigen Geschichte an den Zäunen der Stadien dieser Welt präsentierten. Die Erinnerungen und Anekdoten, die dazu erzählt werden, verdeutlichen einerseits die Hingabe, mit der dies geschieht, und sind andererseits auch ein Stück Rapid-Fangeschichte. Neben Gruppenaktivitäten wie Fanclubturniere, Choreos und der amüsanten Sinnlos-Bilderstrecke wird hier auch auf das Vereinsleben des Mitgliedervereins Rapid eingegangen. Die Kritik an der Inszenierung der Hauptversammlung ist wohl zutreffend („Pomp, Trara, Melodie und Tschinbum“). Da haben eben jede Zeit und jeder Präsident ihren Stil. So wie Rudi Edlinger Versammlungen in Anlehnung an politische Versammlungen rhetorisch gekonnt mit Rede und Gegenrede abhielt, gibt es nun eben die moderne Produktpräsentation. Ein Kommentar widmet sich u.a. der „stillen und heimlichen Entwurzelung“ Rapids durch Konzentration der Trainingsaktivitäten des Großteils der Mannschaften auf den Trainingsplätzen des Happel-Stadions. Es ist korrekt, dass es hier gilt, aufzupassen, damit Hütteldorf die Heimat bleibt. Ich hoffe, dass sich irgendwann ein Platz im Wiener Westen auftut, auf dem Rapid ein Trainingszentrum errichten kann und der Prater damit auch hier nur einen Übergangslösung ist. Ganz so eindeutig wie hier genannt ist eine mehrheitliche soziale Zuordnung der Leopoldstadt als bürgerlich allerdings nicht, ebensowenig wie die im Westen als proletarisch und migrantisch. Dass sich „Bewohner der Leopoldstadt grundlegend vom gemeinen, grantigen, arbeitenden Ungustl der Arbeiterbezirke“ unterscheiden, kann ich aus der Erfahrung von drei Jahren, die ich dort einmal (wiewohl an der Grenze zum 20.) gewohnt habe, nicht unterschreiben.

Weiters gibt es im Heft auch über die Fansituation bei Ferencváros zu erfahren sowie Fanzinerezensionen. Geäußerter Respekt für Produkte anderer wie hier über die Grazer Schwarzmalerei ist ja, wenn auch zutreffend, so doch nicht selbstverständlich.

Den Rückblick auf die Spiele des Herbsts 2014 eröffnet das Abschiedsspiel des Hanappi-Stadions. Am schönsten aus den Erinnerungen an diesen Tag sind die damals bereits zeitnah niedergeschriebenen Zeilen von Rata. Sie bringen die Magie des Tages aus individueller Sichtweise auf den Punkt. Der Text sollte einen Platz im neuen Rapideum finden.

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